Vortragsreihe: Kehrseite der Vernunft? Prof. Dr. Stephanie Buchenau: Verrückungen, Schwindel und Schwärmerei
Vortrag
28. April 2025
Prof. Dr. Stephanie Buchenau (Universität Paris 8): Verrückungen, Schwindel und Schwärmerei in der Aufklärung
Im Rahmen der Vortragsreihe des IZEA im Sommersemester 2025:
Kehrseite der Vernunft? Wahnsinn und Aufklärung
Das Problem des Wahnsinns, das seit der Antike in der Philosophie und der Medizin u.a. als Manie und göttliche Ekstase diskutiert wurde, erlangte in der frühen Neuzeit und der Aufklärung neue Bedeutung. Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert kam es in verschiedenen europäischen Ländern zu einer Vervielfältigung von literarischen Gattungen, die ihre Aufgabe in der Diagnose und Heilung der Seele sahen: Abhandlungen über die Fähigkeiten und Leidenschaften des Geistes, medizinische Bücher, pädagogische Abhandlungen, Trosttraktate, Werke der christlichen Seelsorge, Rhetoriken, therapeutische Logiken, Ethiken und Ästhetiken. Ein solches Wissensgebiet ist theoretisch und praktisch zugleich und wirft Fragen auf, die die institutionellen und disziplinären Grenzen überschreiten. Was verstehen wir unter „Seelenkrankheit“ in einer Zeit, in der die Philosophie und die „spirituelle Physik“ die Behandlung psychischer Leiden zunehmend an die medizinische Wissenschaft delegieren? Was bedeutet die Psychologisierung des Wahnsinns im Zeitalter der Professionalisierung der Psychiatrie? Was ist das Erbe dieses Wandels in den heutigen Vorstellungen von psychischer Störung? Die Vortragsreihe hinterfragt die Konzeptualisierung des Wahnsinns als privilegiertes Terrain für das Verständnis sowohl der Prozesse der Marginalisierung und der sozialen Unterdrückung von Devianz als auch der Neudefinition des Wissens, das mit dem Wahnsinn umzugehen sucht. In dieser Perspektive wird der Wahnsinn zu einem unverzichtbaren Lackmustest für das Verständnis des sogenannten Zeitalters der Vernunft.
Wiss. Leitung: Dr. Alessandro Nannini (IZEA)
Ort: IZEA, Christian Thomasius-Zimmer, 18 Uhr c.t.
Kontakt und weitere Informationen:
Tel.:+49 (0)345 55 21781
izea(at)izea.uni-halle.de