Innovationsuniversität Halle? Neuheit und Innovation als historische und als historiographische Kategorien
Tagung
In der Universitätsgeschichte hat die Universität Halle einen besonderen Platz zuerkannt bekommen: Insbesondere in ihrer Gründungsphase um und nach 1700 wird sie als Ursprungsort des Neuen beschrieben. Diese Charakterisierung bezieht sich zum einen auf wissenschaftliche und weltanschauliche Inhalte: So wird das geistesgeschichtliche Profil der Universität Halle gerne mit dem Begriffspaar Aufklärung und Pietismus benannt. Zum anderen gilt diese Zuschreibung ebenso für die Institution insgesamt, für die dort etablierte Fächerhierarchie (die Etablierung neuer Fächer wie der Kameralistik etwa oder die vermeintliche Emanzipierung der philosophischen Fakultät), für die Zielsetzung der preußischen Regierung anlässlich der Gründung, für deren Berufungspolitik etc.
Hingegen wird kaum je darüber reflektiert, ob die Kategorien des Neuen und der Innovation bereits im Bewusstseinshorizont der Akteure ihren Platz hatten. Gegen die von Hans Blumenberg etablierte communis opinio, die Neuzeit starte mit einer allgemeinen Neugier auf das Neue, ist neuerdings entschieden Einspruch erhoben worden. Ab wann war gleichwohl weniger das Neue als das Traditionelle legitimationsbedürftig? Gab es Wissensräume, in denen Innovation unproblematisch erschien, und andere, in denen Neuerungen aus normativen Gründen als illegitim galten? Ab wann hielt man auch substantiell Neues für möglich oder gar erstrebenswert? Erwartete man, dass sich das Neue in die Welt, wie man sie kannte, einfügte, oder dynamisierte sich dadurch, über bislang etablierte Deutungsmuster hinausgehend, die Weltsicht insgesamt?
Die Tagung soll unter anderem klären, inwiefern die Deutungsfigur von der Universität Halle als Stätte wissenschaftlicher und universitärer Innovation mit zeitgenössischen Ansprüchen und Denkweisen im Einklang steht oder ob sie nachträglich konstruiert wurde, um der Universität im Rahmen einer allgemeinen Aufklärungsgeschichte der Gelehrsamkeit im Alten Reich eine besondere Bedeutung zuzuschreiben und diese Universität – gemeinsam mit den später gegründeten Universitäten in Göttingen und Berlin – einem neuen Typus ‚Reformuniversität‘ zuzuordnen, dem im Rahmen einer allgemeinen Modernisierungserzählung der Universität eine entscheidende Rolle zugekommen sei. Ziel ist es, ‚Innovation/Neuheit‘ nicht unreflektiert als Kategorie der Wissenschaftsgeschichte zu verwenden, sondern die Differenz zwischen der Leitfunktion dieser Kategorie in der modernen, retrospektiven Wissenschaftsgeschichtsschreibung auf der einen Seite und ihrer keineswegs selbstverständlichen, sondern immer erst festzustellenden Orientierungsfunktion in der historischen Praxis der Gelehrten, Studenten und Wissenschaftler, der weltlichen und geistlichen Autoritäten sowie des Publikums auf der anderen im Auge zu behalten.
Leitung: Prof. Dr. Daniel Fulda (Halle), Dr. Hanspeter Marti (Engi)
16. Juni- 17. Juni 2016
Engi, Glarus Süd, Schweiz
Kontakt und weitere Informationen:
Prof. Dr. Daniel Fulda
Tel.: +49 (0)345 55 21770
daniel.fulda(at)germanistik.uni-halle.de
Kontakt und weitere Informationen:
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izea(at)izea.uni-halle.de