Innovationsuniversität Halle? Neuheit und Innovation als historische und als historiographische Kategorien
Tagung
In der Universitätsgeschichte hat die Universität Halle einen besonderen Platz zuerkannt erhalten: Insbesondere in ihrer Gründungsphase um und nach 1700 wird sie als Ursprungsort des Neuen beschrieben. Diese Charakterisierung bezieht sich zum einen auf wissenschaftliche und weltanschauliche Inhalte: das geistesgeschichtliche Profil der Universität Halle – gerne benannt mit dem Begriffspaar Aufklärung und Pietismus. Zum anderen gilt diese Zuschreibung ebenso für die Institution insgesamt, für die dort etablierte Fächerhierarchie, für die Zielsetzung der preußischen Regierung anlässlich der Gründung, für deren Berufungspolitik etc.
Hingegen wird kaum je darüber reflektiert, ob die Kategorie des Neuen und der Innovation bereits im Bewusstseinshorizont der Akteure ihren Platz hatte. Gegen die von Hans Blumenberg etablierte communis opinio, die Neuzeit starte mit einer allgemeinen Neugier auf das Neue, ist neuerdings entschieden Einspruch erhoben worden. Ab wann war gleichwohl weniger das Neue als das Traditionelle legitimationsbedürftig? Gab es Wissensräume, in denen man Innovation als unproblematisch ansah und andere, in denen Neuerungen aus normativen Gründen als illegitim angesehen wurden? Ab wann hielt man auch substantiell Neues für möglich oder gar erstrebenswert? Erwartete man, dass sich das Neue in die Welt, wie sie ist, einfügte, oder dynamisierte sich das ganze Weltbild?
Speziell auf die Fridericiana gewandt: Welche Rolle spielten Neuheit und Innovation in den vielfältigen universitären Auseinandersetzungen bis Mitte des 18. Jahrhunderts? Spielte die Idee einer Reform oder Erneuerung der Institution Universität im Zusammenhang mit der Gründung eine Rolle bei den damit befassten (politischen) Akteuren? Welchen Anteil hatte die Idee des Neuen und der Innovation bei der Selbstinszenierung der in Halle versammelten Gelehrten? Welche Begriffe wurden hierfür jeweils verwendet? Wurden solche Strategien der Selbstinszenierung programmatisch ausgearbeitet und zu inhaltlichen Programmen verarbeitet? Lassen sich dabei fach- oder fakultätsspezifische Entwicklungen und Konkurrenzverhältnisse nachweisen? Schlugen sich Innovationsansprüche im Lehrprogramm der Universität nieder? Welche Reichweite und welche Dynamik schrieben die einzelnen Akteure dem Neuen jeweils zu und in welchem Maß war man bereit, dafür Autoritäten, Normen und Weltbilder in Frage zu stellen? Wie reagierten die außeruniversitäre Öffentlichkeit oder die preußische Regierung auf die Denkfigur des Neuen?
Auf dem Studientag soll diskutiert werden, inwiefern die Deutungsfigur von der Universität Halle als Stätte wissenschaftlicher und universitärer Innovation mit den Ansprüchen und Denkweisen der Zeitgenossen im Einklang steht oder ob sie nachträglich konstruiert wurde, um der Universität im Rahmen einer allgemeinen Aufklärungsgeschichte der Gelehrsamkeit im Alten Reich eine besondere Bedeutung zuzuschreiben und diese Universität – gemeinsam mit den später gegründeten Universitäten in Göttingen und Berlin – einem neuen Typus ‚Reformuniversität‘ zuzuordnen, dem im Rahmen einer allgemeinen Modernisierungserzählung der Universität eine entscheidende Rolle zugekommen sei. Ziel ist es, ‚Innovation/Neuheit‘ nicht unreflektiert als Kategorie der Wissenschaftsgeschichte zu verwenden, sondern die Differenz zwischen der Leitfunktion dieser Kategorie in der modernen, retrospektiven Wissenschaftsgeschichtsschreibung auf der einen Seite und ihrer keineswegs selbstverständlichen, sondern immer erst festzustellenden Orientierungsfunktion in der historischen Praxis der Gelehrten, Studenten und Wissenschaftler, der weltlichen und geistlichen Autoritäten sowie des Publikums auf der anderen im Auge zu behalten.
Leitung: Daniel Fulda (IZEA), Hanspeter Marti (Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschungen, Engi), Andreas Pečar (IZEA)
23. November- 24. November 2016
IZEA Halle
Kontakt und weitere Informationen:
Prof. Dr. Daniel Fulda
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daniel.fulda(at)germanistik.uni-halle.de
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izea(at)izea.uni-halle.de