VERSCHIEBUNG INS WS 2020/21: Hope, Disappointment and the Dialectic of Enlightenment [Spinoza, Leo Strauss, Adorno and Kafka]. Vortrag Dr. Michael
Vortrag
Hope, Disappointment and the Dialectic of Enlightenment [Spinoza, Leo Strauss, Adorno and Kafka]
Dr. Michael Mack (Durham)
Vortragsreihe des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) und des Seminars für Judaistik/Jüdische Studien im Sommersemester 2020:
Globaler Antisemitismus und die Dialektik der Aufklärung
Der Umgang mit dem Zivilisationsbruch der Shoa kennt ein breites Spektrum, das sich zwischen zwei Polen bewegt: seiner Erklärung als kontingenter historischer Reaktion auf die Aufklärung oder als deren logische Konsequenz. In der zweiten Lesart wären Rassismus, Irrationalismus und antisemitische Gewalt als integrale Bestandteile westlicher Rationalität anzusehen. In der internationalen Aufklärung, dem deutschen Idealismus oder der Romantik en bloc einen antisemitischen Kern ausmachen zu wollen scheint ein zweifelhaftes Unterfangen. So unterschiedliche Autoren wie Gotthold Ephraim Lessing, Wilhelm von Humboldt, Friedrich Schlegel und sogar der theologisch explizit antijudaistisch argumentierende Hegel waren Befürworter der Judenemanzipation. Ambivalenzen bis hin zu scharfen Spannungen zwischen religiös-theologischer und bürgerlich-kultureller Wertung des Judentums stehen neben dem harten Gegensatz von politischem Freiheitsdrang und nationalistischem Antijudaismus bei protestantischen Denkern wie Schleiermacher, Fichte und Jahn, aber auch Katholiken wie Görres, Brentano und anderen Mitgliedern der 'Christlich-Deutschen-Tischgesellschaft'. Die Erklärung für den Judenmord darf man weder nur historisierend und damit relativierend in der Geschichte des 20. Jahrhunderts noch in einem sich aus der Aufklärung speisenden Determinismus suchen. Wie aber lässt sich ein erkenntnisstiftendes Verhältnis zwischen diesen beiden Erklärungsmodellen herstellen?
Wie können wir den Allgemeinplatz überwinden, dass die westliche Tradition der Aufklärung irgendetwas mit den Gewaltexzessen des 20. Jahrhunderts zu tun hat, aber auch ein wichtiges Instrumentarium ist, um sie zu bekämpfen? Horkheimer und Adorno haben die Grenzen der Aufklärung wesentlich in der Reduktion auf ökonomische Rationalität gesehen. Ihrer Dialektik der Aufklärung zufolge werden legitime Erwartungen und Hoffnungen der Menschen im Antisemitismus verkapselt und für alle unerreichbar gemacht. Hat aber die Aufklärung nicht selber einen wesentlichen Anteil daran, große Hoffnungen geweckt zu haben, die für zahlreiche Menschen nicht in Erfüllung gegangen sind? Man mag die sich im Gleichklang zur Ökonomie global vernetzenden Antisemiten belächeln, wenn sie sich in ihren Schriften - den Turner Diaries, Breiviks Manifest oder den Internet-Foren der Incels - als gescheiterte weiße Hetero-Männer "feiern". Nach Horkheimer und Adorno müsste man sie aber auch als ein Indiz für die Abspaltung der mit dem Projekt der Aufklärung verbundenen Hoffnungen verstehen.
11. Mai 2020, 18:15 Uhr
IZEA, Christian-Thomasius-Zimmer
Kontakt und weitere Informationen:
Tel.:+49 (0)345 55 21781
izea(at)izea.uni-halle.de