Die Universität Halle und der Berliner Hof (1691–1740). Eine höfisch-akademische Beziehungsgeschichte
Inhalt
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die gegenwärtige hochschulpolitische Debatte über den Zusammenhang von Governance, Profilbildung und Exzellenz. Wie es um diese Zusammenhänge in den ersten Jahrzehnten der Universität Halle Anfang des 18. Jahrhunderts bestellt war, als deren Exzellenz für die damaligen Zeitgenossen unstrittig war, ist die Fragestellung der Arbeit.
Überraschend ist, dass die Christian Thomasius in der Universitätsgeschichte zugeschriebene Position als spiritus rector der Universität in den Anfangsjahren sich nicht bewahrheitet hat, dass Exzellenz - der Quellenausdruck dafür war der "Flor" der Universität - nicht an einem vermeintlichen inhaltlichen Profil festgemacht wurde wie "Aufklärung und Pietismus", sondern an Studentenzahlen und am sozialen Status der Studenten, überraschend ist auch, in welch starkem Maß der unterschiedliche Herrschaftsstil der preußischen Monarchen Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. auch die Universität Halle unmittelbar betraf, und wie die Kommunikation zwischen Universitätsgelehrten in Halle und dem Herrschaftszentrum in Berlin von den kommunikativen Gesetzmäßigkeiten höfischer Kommunikation geprägt war - dem Primat der persönlichen Anwesenheit und den Vorzügen der persönlichen Nähe zum Thron.
Mit Bezug zur Ausgangsfrage nach dem Zusammenhang von Governance, Profilbildung und Exzellenz kann man für den Betrachtungszeitraum urteilen, dass die für Halle unstrittige Profilbildung der dort lehrenden Gelehrten in einigen zeitgenössisch stark nachgefragten Wissensfeldern wie Naturrecht, praktische Frömmigkeit etc. nicht das Ergebnis hochschulpolitischer Governance war, weder auf der Ebene der Regierung noch auf Ebene der Universität selbst. Exzellenz verdankte sich nicht spezifischen Steuerungsversuchen, sondern nicht selten dem Zufall. Die von König Friedrich Wilhelm I. mehrfach erfolgten direkten Eingriffe in die Belange der Universität Halle hingegen waren für die wahrgenommene Exzellenz der Universität nicht selten kontraproduktiv und vor allem nicht nachhaltig. Dieses Ergebnis mag für die gegenwärtige hochschulpolitische Debatte zumindest als historischer Vergleichsfall von grundsätzlichem Interesse sein.