7. Anhalt-Dessau: Musterland der Aufklärung?
Anhalt-Dessau zählte am Ende des 18. Jahrhunderts zu den sogenannten mindermächtigen Reichsterritorien. Seine Ausstrahlungskraft über die engen Landesgrenzen hinaus verdankte das Territorium vor allem den Repräsentationsbemühungen des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und dem von ihm zu diesem Zweck errichteten Gartenreich in Wörlitz. Dieser Landschaftsgarten und seine Bauwerke erlangten bereits zu Lebzeiten des Fürsten großes Renommee. Heute ist das Gartenreich ein herausragendes Zeugnis englischer Landschaftsgestaltung und zählt zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Diese Repräsentation des Fürsten bestimmt bis heute weitgehend auch das Bild, das wir uns vom Bauherrn des Landschaftsgartens machen: als eines Reformfürsten, eines Aufklärers, eines gütigen Landesvaters, eines Förderers der Religionstoleranz. Damit steht Fürst Franz in einer Reihe von Herrschergestalten im alten Reich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie Friedrich dem Großen von Preußen oder Carl August von Sachsen-Weimar, die weit stärker als individuell herausragende Persönlichkeiten wahrgenommen werden denn als Repräsentanten ihrer Zeit und ihres Standes. Zu diesem Persönlichkeitsbild trägt im Falle von Fürst Franz von Anhalt-Dessau noch bei, dass man sich bisher vor allem auf Aussagen von Schriftstellern und Intellektuellen stützte, wenn man sein Herrschaftshandeln beurteilte.
Ziel einer Reihe von Untersuchungen ist es, die Herrschaftspraxis und die Herrschaftsrepräsentation neu in den Blick zu nehmen und dabei die sozialen und politischen Kontextbedingungen weit stärker in den Blick zu nehmen, als dies bisher geschah. Die Repräsentationspraxis des Fürsten war, wie die Tagung über Politische Gartenkunst (als Buch erschienen im Herbst 2014) hat erkennen lassen, von politischen Motiven dominiert, die weniger mit Reformkonzepten der Aufklärung zu tun hatten als vielmehr mit dynastischen Legitimationskonzepten und dem Ziel fürstlicher Selbstbehauptung und Statusprätention. Die Untersuchung von Paul Beckus über den Fürstenhof und die Verwaltungspraxis des Fürsten Franz (erschienen Januar 2016) hat bereits deutlich gemacht, dass der Hof den üblichen Gepflogenheiten fürstlicher Hofhaltung im Alten Reich weit stärker entsprach, als dies bisher in der Forschung über Anhalt-Dessau dargestellt worden ist. Ein weiteres Projekt zur Erschließung und Deutung der Kabinettsprotokolle untersucht erstmals grundlegend die Regierungspraxis des Fürsten über den gesamten Herrschaftszeitraum und wird gleichfalls eine Neubewertung des politischen Regierungshandelns des Fürsten möglich machen.
Projekte
Geduldeter Despotismus Fürst Leopold von Anhalt-Dessau und sein Agieren in Anhalt, in Preußen und im Alten Reich
Andreas Pečar
Über den Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, den sogenannten Alten Dessauer, gibt es keine Biographie, die den heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Die Ausgangsfrage meiner Darstellung erkundet zum einen die Handlungsspielräume des Fürsten in Zusammenhang mit seinen langjährigen Kriegsdiensten und seinem lebenslangen Dienstverhältnis zu den preußischen Königen, Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.
weiterlesen