Vergesellschaftung und Freiheit
Projektleiter: Prof. Dr. Heinz Thoma
Das Projekt Vergesellschaftung und Freiheit geht von drei Beobachtungen aus. Eine erste besteht darin, dass sich seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die Diagnosen häufen, dass die Art des Wirtschaftens und des Zusammenlebens des westlichen Gesellschaftsmodells an seine Grenzen zu geraten scheint (Club of Rome, Die Grenzen des Wachstums 1972). Eine andere Bobachtung betrifft die damit zeitlich zusammenfallende Kritik an der Aufklärung, welche von einem Jahrhundert der Emanzipation in ein Jahrhundert der Domestizierung umgedeutet wird, Hauptvertreter dieser Denkrichtung ist Michel Foucault. Gleichsam eine Verkehrung der Ausgangserwartung der bürgerlichen Formation, die bereits Adorno schon vor Foucault, in der Dialektik der Aufklärung, allerdings unter den Prämissen von Faschismus und Kulturindustrie in Gang gebracht hatte. Eine dritte Beobachtung geht schließlich davon aus, dass sowohl das Zeitalter der Aufklärung wie unsere jüngere Gegenwart ihre Infragestellungen des jeweiligen Gesellschaftszustands bzw. ihre Selbstthematisierung im Medium anthropologischer Reflexion vollziehen - mit je unterschiedlichen Grundannahmen zum Verhältnis von Vergesellschaftung und Freiheit und entsprechend unterschiedlich gerichteten geschichtsphilosophischen Prämissen (letztere kennt die Antike nicht): Im 18. Jahrhundert geht es um Freiheitsgewinn, Glücksversprechen und, wenn auch nicht unwidersprochen, um erwartbaren Fortschritt, heute spricht man vom Ende der Geschichte, von Erschöpfung und Depression als epochalem Grundsachverhalt. Es scheint sich in der Aufklärung, wie in der jüngeren Gegenwart jeweils um eine Schwellen- bzw. Krisensituation von hohem Veränderungsbedarf zu handeln, die, was unsere Jetztzeit angeht, dann besonders zutage trat, als die Denkfiguren der Systemauseinandersetzung und des Kalten Krieges in ihrer Legitimation erloschen und als die Reproduktion des planetaren ökologischen Haushalts gefährdet schien. Nun erscheint auch deutlicher noch als zu Beginn der postmodernen Ära die Subjektposition in einer scheinbar unentrinnbaren Dialektik von Freiheit und Zwang gefangen und ist eine Richtung des Geschichtsprozesses nicht mehr zu erkennen. Das Projekt erschließt den Zusammenhang in Fallstudien. Eine erste Skizze findet sich in "Vergesellschaftung und Freiheit. Konstruktion und Wahrnehmungen der bürgerlichen Formation seit der Aufklärung an gesellschaftstheoretischen und literarischen Beispielen", in: Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Band 141, Heft 6 [erschienen Leipzig, 2017].