3. Aufklärung im Spannungsfeld von Kritik und Macht
Die Aufklärung ist dem Wesen nach ein kritisches Projekt. In je nach Land und Kultur unterschiedlichen Ausprägungen zielt sie auf die Infragestellung von traditionellen Mächten, Weltbildern und Sichtweisen. Autorität wird nicht mehr einfach hingenommen, sondern soll sich vor den neuen Rationalitätsansprüchen ausweisen und legitimieren. So versuchen die Aufklärer, die Definitionshoheit zunächst über das theologische, philosophische und künstlerische, aber zunehmend auch über das politische und soziale Feld zu erlangen. Umgekehrt kämpfen jedoch auch die alten Mächte in Kirche, Staat, Adel etc. um ihre Vorrangstellung und begegnen den Impulsen der Aufklärer mit mal mehr, mal weniger subtilen Methoden der Kritikverhinderung.
Diese für das 18. Jahrhundert spezifische Situation lässt sich erschließen, indem neben konkreten Konflikten (Justizskandalen, Affären, Querelles, Gelehrtendebatten) auch die allgemeinen theoretischen Bedingungen und Voraussetzungen der Kritik in den Blick genommen werden. Insgesamt soll nicht nur der Begriff der Kritik selbst die Beachtung erfahren, die er aufgrund seiner Thematisierung in den philosophischen und ästhetischen Schriften der Aufklärung zweifelsohne verdient, sondern auch die konkreten Praktiken und Verfahren der Kritik, die strategischen Bündnisse und Kommunikationsnetze der Aufklärer, sowie die sprachlichen und medialen Vermittlungsformen ihrer kritischen Äußerungen. Dabei gilt es stets auch, den Druck der Macht mitzureflektieren, unter dem – und gegen den – sich die aufklärerische Kritik behaupten muss, sowie die aus dieser Konfrontation resultierenden Kompromisse, Verzerrungen und Maskeraden. Zu fragen ist, ob dem Druck der Macht nicht nur eine negativ-repressive, sondern auch eine produktive Dimension zukommt, indem er die Antagonisten dazu zwingt, nach alternativen Allianzen und kreativen Ausdrucksformen Ausschau zu halten. So wird im Wechselspiel von Kritik und Macht immer auch der Spielraum des Möglichen neu verhandelt. Nach dem 18. Jahrhundert gilt dies weiterhin für Rückbezüge auf die Aufklärung, seien diese scheinbar bloß als historische Rekonstruktionen von Aufklärungskonstellationen angelegt oder offen als Aktualisierung eines aufklärerischen Kritikpotentials angelegt.
Projekte
Die deistische Reformation. Religion und Politik in der Französischen Revolution
Damien Tricoire und Mathias Sonnleithner
Das Projekt soll einen Beitrag zur Wiederentdeckung der Religiosität des 18. Jahrhunderts leisten. Die deistische Bewegung der Revolutionszeit soll in religions- und politikhistorischer Perspektive erstmals eingehend untersucht werden. Sowohl die Deismusforschung als auch die Historiographie zur Französischen Revolution haben es in der Tat bislang weitgehend versäumt, die Geschichte der Bemühungen um eine religiöse Erneuerung unter dem Zeichen des Deismus in der Französischen Revolution zu erforschen.
weiterlesen
Gegenwartsbedeutung der Aufklärung
Jörg Dierken und Daniel Fulda
Mit prominenter Stimme wurde jüngst mehrfach angemahnt, dass das Erbe der Aufklärung zu den Grundlagen unserer westlich-liberalen Gesellschaft und Kultur zählt und zu bewahren sei. Zentrale Stichworte lauten in diesem Zusammenhang: Toleranz - nicht nur in religiösen Dingen -, Offenheit für Pluralismus, Resistenz gegen Fundamentalismus, Umgang mit Chancen und Herausforderungen der Globalisierung, Verantwortung von und für Europa, Freiheit und Gleichheit - insbesondere im Blick auf die Geschlechter.
weiterlesen